Aus Geschichten werden Stoffe
Textildesignerin Cornelia Pongritz erläutert, was für Faktoren beim Entwerfen neuer Dessins mitspielen.
Cornelia Pongritz hat ihre Ausbildung für Textiles Design und Weberei an der Grazer Ortwein-Kunstschule absolviert. Seit den späten 1980er Jahren ist sie als Textildesignerin bei Sattler tätig. Heute leitet sie die Designabteilung, in der vier weitere Designerinnen mitwirken.
Sie bringen langjährige Erfahrung als Textildesignerin mit. Was hat sich im Laufe der Jahre entscheidend verändert?
Meine Arbeit hat eine äusserst spannende Entwicklung mitgemacht – sozusagen von analog zu digital. Was anfangs der Malkasten war, ist jetzt der digitale Garnkatalog in einem eigens dafür entwickelten Designprogramm. Und die auf Kartonstreifen angeordneten und aufgeklebten Stoffstreifen sind jetzt CAD-Prints mit Echtheitscharakter. Neue Farbstellungen sind nur mehr einen Mausklick entfernt.
Was sind wichtige Eigenschaften einer Textildesignerin?
Der Kreativ-Prozess im Kopf ist die Basis der Arbeit einer Textildesignerin. Ebenfalls wichtig sind das ständige Beobachten und Erforschen von Trends in unterschiedlichen Bereichen. Hier haben die Methoden der Recherche durch die Digitalisierung enorm zugenommen. Das bedeutet aber auch: Achtung! Denn die Reizüberflutung ist die neue Herausforderung. Was früher das Aufsaugen von Informationen war, ist heute das Differenzieren von unzähligen Einflüssen und Strömungen – und das Herausfiltern des Wesentlichen für unseren Einsatzbereich: der Sonnenschutz.
Wo sehen Sie Herausforderungen bei Ihrer Arbeit?
Eine grosse Herausforderung ist das Zusammenführen aller relevanten Informationen. Dazu gehören Farben, Trends, Kundeninputs, gesellschaftliche Veränderungen und die damit einhergehenden Entwicklungen neuer Baustile und Lebensgewohnheiten. Aber auch die Bedürfnisse der verschiedenen Kulturen sollten in unseren Stoffen, Designlinien und Kollektionen abgebildet werden. Es ist ein Spagat, der uns Designer täglich fordert.
Und was ist für Sie das Schönste an der Designarbeit?
Es ist eine kreative, komplexe Tätigkeit, die mich immer begleitet. Alles, was mich umgibt, kann als Inspiration dienen. Das Schöne ist, dass ich meine bunten Gedanken in ein ‚Produkt‘ mit Geschichte transferieren kann.
Es ist aber nicht alles nur kreativ und Design und Trend. Recherchearbeiten etwa können ganz schön herausfordernd sein. Formulare ausfüllen, Produktionsvorschriften berücksichtigen, Garne entwickeln und Harmonisierungsprozesse gehören ebenfalls zu den begleitenden Arbeiten einer Designerin.
Welche Faktoren beeinflussen den Entwurf einer neuen Kollektion?
Einflüsse stammen von den diversen Reisen, die ich unternehme, sowie von der Zusammenarbeit mit internationalen Trendagenturen und Farbpsychologen.
Wie entsteht ein neues Stoffdessin?
Hinter jedem Dessin, unabhängig davon, ob es ein Uni-Sujet, ein Fantasiestreifen oder eine Designlinie ist, verbirgt sich – ich habe es vorhin erwähnt – eine Geschichte. Und es sind immer die Geschichten, die auf ganz besondere Weise in unser Unterbewusstsein vordringen. Mich fasziniert dieses Zusammenwirken: Zum einen führt mich die Geschichte zu Ideen, die kreativ in Dessins umgesetzt werden, und zum anderen ist es genau diese Geschichte, die vom Dessin weitertransportiert wird.
Wovon sind Trends geprägt?
Viele Faktoren haben Einfluss auf eine neue Kollektion, auf ein neues Dessin. Natürlich will man den Trend der Zeit abbilden, – der in einer so langen Kollektionsperiode von fünf Jahren wesentlich globaler gesehen werden muss als beispielsweise in der Modebranche, wo vier Kollektionen pro Jahr entstehen. Das heisst, wir konzentrieren uns auf die grossen Trends, die sich langsamer drehen, und dennoch versuchen wir den Zeitgeist zu treffen.
Wie ist das zu verstehen?
Die grossen Trends beinhalten eine gewisse Anzahl Farben. Diese drehen sich in einem Zeitfenster von fünf bis zehn Jahren. Die Zwischentrends halten sich mitunter nur für ein halbes Jahr oder Jahr und zeigen sich meist als Farbnuancen der grossen Trendfarben. In welche Richtung die Farbnuance abweicht, hängt auch von den Weltregionen ab. Europa, Asien oder Amerika zeigen nicht unbedingt alle die gleiche Entwicklung. In einem Land kann das Rot eher wie Rost aussehen und in einem anderen wie Tomate – und trotzdem entspricht es dem Trend Rot. Auch das Marktverhalten beeinflusst die Entwicklung einer neuen Kollektion.
Einen Trend, den wir über die letzten 20 Jahre ganz klar verfolgen konnten, ist der Wandel der klassischen Markisenstreifen und der bunten Farbkombinationen hin zu monochromen Dessins. Machten vor 2008 klassische, bunte Streifen noch knapp 60 % eines Sortiments aus, besteht dieses heute zu mehr als 60 % aus monochromen und texturierten Dessins wie Landscape, Urban, Leaf und Co.
Welche Kollektion mögen Sie besonders?
Jeder Teil unserer Kollektion hat etwas, wofür mein Herz schlägt. Allerdings habe ich tatsächlich einen persönlichen Favoriten. Es ist ein Dessin aus der Designlinie Lumera Landscape: Sahara! Mit Landscape Sahara verbindet mich eine besondere Geschichte, die aus jener Zeit herrührt, als ich meine erste Reise in die ebenso genannte Wüste unternahm. Das war im Zuge einer Offroad-Rallye, die in Tunesien stattfand. Das Spiel der Sandkörner in den Dünen hatte mich damals gefangen genommen und nicht mehr losgelassen. Unzählige Reisen in die Sahara, ob Tunesien oder Marokko, folgten. Orte, die eine derartige Ruhe und Abwechslung zeigen, inspirieren mich und laden mich zum Verweilen ein.
Ein Blick in die Kristallkugel: Welche Trends erwarten uns?
Ich weiss nicht, ob ich in eine Kristallkugel blicken möchte, um eine Vorschau zu bekommen. Ich denke, mit dem, was wir aus der Vergangenheit gelernt haben und mitnehmen können, mit den Einflüssen aus der Ist-Situation und den daraus resultierenden Prognosen, gepaart mit ausreichend Kreativität, sind wir für die Zukunft gut gerüstet. Wie jedoch letztendlich die Umsetzung aussieht, hängt auch vom Zukunftsdenken der Menschen ab.